Pilates und Yoga: Ein Vergleich für Menschen mit Einschränkungen

Als Pilates-Trainerin werde ich oft gefragt, ob Yoga eine Alternative zu Pilates darstellt. Manche Kurs-Teilnehmer haben bereits Yoga-Erfahrung. Ich halte es für wichtig auf die Unterschiede zwischen Yoga und Pilates einzugehen, bevor die beiden miteinander verglichen werden.

Obwohl ich Pilates-Trainerin bin, beschäftige ich mich seit Jahren auch mit unterschiedlichen Yoga-Arten und kann an dieser Stelle über meine Erfahrungen berichten und einige Empfehlungen, insbesondere für Menschen mit Handicaps, geben.

Die Unterschiede zwischen Pilates und Yoga

Bauchspannung

Das Konzept von „Powerhouse“ gehört zu den Pilates-Prinzipien (https://www.akademie-sport-gesundheit.de/lexikon/pilates-prinzipien.html). Dabei geht es darum, bei jeder Übung den unteren Bauch eingezogen zu halten und seine Beckebodenmuskulatur zu aktivieren. Der Grund liegt im bewussten Training der tiefen Muskulatur, der Stabilisierung der Wirbelsäule und der Schutz des unteren Rückens vor Verletzungen.

Im Yoga wird die Beckenboden-Aktivierung (sogen. Mula-Banda Aktivierung nur bei einigen, ausgewählten Asanas (Übungen) gefordert. Die Erklärung dafür in Yoga ist etwas anders – es geht um Energiefluss.

Atmung

Der wesentlichste Unterschied besteht in der Atmung. Beim Yoga wird ausschließlich durch die Nase ein- und ausgeatmet. Meistens wird hier die tiefe „Bauchatmung“ verwendet. Ferner praktizieren Yogis eine Reihe von speziellen Atem-Übungen (Pranayama-Übungen), bei welchen man eine bestimmte Körperposition annimmt und sich nur auf die Atmung konzentriert.

Beim Pilates wird nur durch die Nase eingeatmet, wobei es sich um Brustatmung handelt, d.h. der Bauch bewegt sich kaum. Dabei erweitern sich die Rippen dreidimensional (seitlich, nach oben und nach hinten). Ausgeatmet wird allerdings durch den Mund und die Rippen ziehen sich dabei wieder zusammen.

Bewegungsamplitude

Yoga ist bekannt für beeindruckende Übungen wie den Kopfstand oder "das Rad". Pilates-Übungen sind meistens weniger spektakulär. Es wird eher darauf geachtet, dass es nicht zu einem Hohlkreuz oder gar zu einer Überstreckung des Nackens bzw. des Rückens nach hinten kommt (die einzige Ausnahme ist die fortgeschrittene „Swan Dive“ Übung).

Übungen im Stehen

Übungen im Stehen sind ein wichtiger Bestandteil von allen Yoga-Arten. Ohne die Asanas im Stehen („der Krieger“) oder den Sonnengruß-Flow kann man sich kaum eine Yoga-Sitzung vorstellen.

Ein Pilates-Anhänger auf der anderen Seite übt überwiegend im Liegen oder im Sitzen auf der Matte (daher kommt die Bezeichnung „Matwork Pilates“). Es werden von Pilates-Trainern immer wieder Stehübungen integriert. Diese sind allerdings kein Muss und waren bei den klassischen (von Pilates selbst konzipierten) 34 Übungen nicht dabei.

Geräte

Kleingeräte

In Yoga verzichtet man auf Geräte bzw. verwendet höchstens Yoga-Blöcke oder den Yoga-Gurt. Sie werden zum Erleichtern der Übungen genutzt (z.B. in Yengar-Yoga).

yoga-kleingeräte
Pilates vs. Yoga: Yoga-Kleingeräte

Obwohl im klassischen Matten-Pilates auch darauf verzichtet wird, findet bei den meisten Pilates-Stunden eine große Anzahl von Kleingeräten Verwendung. Damit ein Pilates-Trainer Kleingeräte im Unterricht verwenden kann, sollte er sich zusätzlich zur A-Lizenz (klassisches Matwork Pilates) auch die B-Lizenz zulegen. Tatsächlich wird im Pilates auf Kleingeräte viel Wert gelegt: Sie können Übungen nicht nur erleichtern sondern auch erschweren oder verdeutlichen. Es gibt eine große Anzahl an Pilates-Geräten und es kommen immer wieder neue auf den Markt. 

Großgeräte

Yoga kennt keine Großgeräte. Im Pilates dagegen finden einige, spezielle Großgeräte Verwendung. Zu den Klassikern gehört der Reformer, der noch von Joseph Pilates konzipiert wurde. Doch auch diese Geräte werden weiterentwickelt und es erscheinen immer wieder neue Großgeräte für unterschiedliche Bedürfnisse.

Empfehlungen für Menschen mit Einschränkungen

Yoga oder Pilates

Diese Frage kann man nicht mit einem Satz beantworten. Die beiden Trainingssysteme beruhen auf unterschiedlichen Prinzipien und Philosophien, haben aber dennoch viele Ähnlichkeiten. Das System von Joseph Pilates basierte bekanntlich zu einem hohen Grad auf Übungen aus fernöstlichen Trainingsarten wie Tai-Chi und Yoga.

Viele Menschen mit Handicaps finden die entspannende Wirkung von Yoga attraktiv. Aufgrund von Fehlbelastungen leiden Viele an muskulären Verspannungen, welche man mit manchen Yoga-Übungen (insb. Yin-Yoga) gut beheben kann.

Dennoch möchte ich an diese Stelle auf die Vorteile von Pilates gerade für Menschen mit körperlichen Einschränkungen hinweisen.

  • Die Übungen werden auf der Matte durchgeführt, was für viele die aufgrund der körperlichen Schwäche oder aufgrund einer Behinderung nicht stehen können ein wesentlicher Vorteil ist.
  • Es besteht durch die sichere Bewegungsamplitude und die bewusste Aufrichtung des Körpers und Anspannung der Bauchmuskulatur kaum Verletzungsgefahr.
  • Pilates kräftigt vor allem die Bauch- und Rückenmuskulatur, was für viele Teilnehmer mit Mobilitätseinschränkungen extrem wichtig ist, da sie generell mehr Zeit im Sitzen verbringen.

In diesem Artikel spreche ich über weitere die Vorteile von Pilates für Menschen mit Geheinschränkungen (wie Beinamputationen).

Yoga und Pilates kombinieren

Aus meiner Erfahrung als Trainerin kann ich sagen, dass sich die beiden Trainingsansätze zum Teil gut kombinieren lassen. In meine Pilates-Stunden baue ich sehr oft einzelne Übungen aus Yoga ein, insbesondere für die Dehnungsphase am Schluss. Generell gilt, dass man beim Erstellen von Trainingsprogrammen für Teilnehmer mit Handicaps zwangsläufig mit einem größeren Instrumentarium an Übungen als nur die klassischen Pilates-Übungen arbeitet.

In den 1990er Jahren entstand auch ein „Hybridtraining“ aus Pilates und Yoga, welches Yogilates heißt (https://www.yogilates.com/faqs.html). Yogilates kombiniert die Pilates-Atmung, die Körperaufrichtung und die klassischen Pilates-Übungen mit einigen Asanas aus Hatha-Yoga, inklusive Übungen im Stehen.

Bei meinem eigenen Training bevorzuge ich kurze Yoga-Sequenzen am Morgen (es geht mir vor allem um die Aufwärmung und die Mobilisierung der Wirbelsäule) und längere Pilates-Sessions (mit oder ohne Kleingeräten) am Abend, um die Muskulatur zu kräftigen.

Es steht fest, dass sowohl Yoga als auch Pilates gesundheitliche Vorteile für Menschen mit Einschränkungen bringen können. Es kommt auf die Einschränkungen und auf die persönlichen Trainingsziele an, von welchem Training man letztlich am meisten profitiert. Am besten ist es aber, dass man sich mit beiden Systemen auseinandersetzt und ein für sich passendes Übungsprogramm zusammenstellt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Pilates für Beinamputierte - Übungen im Sitzen Teil 1

Tanzen mit Beinamputation: Vortrag und Vorführung