Orientalischer Tanz mit Beinamputation


Da ich nun seit mehreren Jahren mich mit orientalischem Tanz beschäftige, möchte ich in diesem Artikel meine persönlichen Erfahrungen teilen und auch andere Menschen mit Behinderungen dazu ermutigen, den orientalischen Tanz auszuprobieren.

Gesundheitliche Wirkung des Bauchtanzes

  • Die gesamte Muskulatur wird trainiert - es werden nicht nur die Beine aber auch die Schulter und die Rückenmuskulatur gedehnt und gekräftigt. 
  • Die komplette Wirbelsäule wird mobilisiert. Insbesondere sind Drehungen und Wellenbewegungen gesund für die Wirbelsäule, da dadurch die einzelnen Bandscheiben geschmiert werden und die Wirbelsäule somit beweglich bleibt.
  • Der Blutkreislauf wird angeregt und die inneren Organe besser durchgeblütet (insb. im Unterleib und Becken).
  • Das Gleichgewicht und die Körperhaltung werden drastisch verbessert
  • Das seelische Wohlbefinden wird gesteigert, es entsteht mehr Selbstakzeptanz und Selbstbewusstsein.
  • Der Bauchtanz bietet Raum für Kreativität und für den künstlerischen Selbstausdruck.

Orientalischer Tanz - Besonderheiten

Im Gegensatz zu vielen "klassischen" Tanzarten, wird Bauchtanz aus der Körpermitte getanzt. D.h. man bewegt sich nicht "im Raum", sondern vor allem "im eigenen Körper". Obwohl der Bauchtanz durchaus Schritte, Drehungen und sogar Formationen beinhalten kann, liegt der Fokus auf den Körperbewegungen der Tänzerin. Diese Bewegungen beinhalten z.B. Drehungen, Kreise, Körperwellen und "Akzente" (muskuläre Kontraktionen). Die Bewegungen können, im Grunde genommen, mit dem gesamten Körper ausgeführt werden: mit den Händen, dem Kopf, dem Oberkörper, den Hüften, usw.

Das macht den orientalischen Tanz auch für Menschen mit Geheinschränkungen sehr attraktiv.

Außerdem hat sich der Bauchtanz in den letzten Jahrzehnten so entwickelt, dass es keine feste Regeln mehr gibt und es vor allem um die Kreativität und Selbstausdruck geht.  Als Beispiel kann man "Fusions" nennen - die Kombinationen von Bauchtanzbewegungen mit Musik oder Bewegungen aus anderen Tanzarten. Z.B. Belly Dance - Jazz Fusion, Belly Dance - Heavy Metal Fusion (auch Tribal Dance), usw.

Bauchtanz mit Beinamputation

Es gibt tatsächlich nur wenig Bauchtänzer mit Beinamputationen. Als ich vor 10 Jahren damit angefangen habe, selbst zu tanzen, musste ich viel tun, um mich bei den Trainern und Studios durchzusetzen. Auch bis heute werde ich in neuen Studios und bei neuen Tanzanlässen als Tänzerin sehr oft skeptisch wahrgenommen. Ich gehe allerdings mit solchen Situationen souverän um. Es geht mir nicht darum, jemanden etwas beweisen zu müssen oder "besser" als die anderen (nicht behinderte) Tänzer zu sein. Ich tanze, um beweglicher zu sein, um meinen Emotionen Ausdruck zu verleihen oder einfach um Spaß zu haben.

Unten werde ich verschiedene Ansätze beschreiben, wie man mit einer Beinamputation orientalischer Tanz ausführen kann. 

Sitztanz

Bei dieser Variante ist die Hemmschwelle überhaupt mit dem Tanzen anzufangen wahrscheinlich am geringsten. Dieser Art vom Tanz eignet sich für alle Mobiltätsgstufen, da er im Prinzip ohne jegliche Hilfsmittel mit einem Stuhl durchführbar ist.

Vor ein paar Jahren habe ich an einem orientalischen Sitztanzprojekt mit Schleierfächern (bei dem Tanzraum Studio) teilgenommen. Dieses Projekt hat mehrere Frauen mit Geheinschränkungen zusammengebracht die sich für den orientalischen Tanz interessierten. Insgesamt ist es uns gelungen, eine anspruchsvolle Choreografie einzuüben.

Beim Sitztanz (das bestätigt auch meine Erfahrung mit Lebenshilfe-Projekten) empfiehlt sich das Verwenden von "Props", wie z.B. Fächer, Fingerzimbeln, Blumen, Kerzen, usw. Damit wird dem Tanz mehr Ausdruck und/oder Dynamik verliehen.

Mit Prothese

Insbesondere bei Unterschenkel-Amputationen und bei sicheren Oberschenkel-Prothesen-Nutzern könnte Bauchtanz mit Prothese eine gute Alternative sein. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine professionelle Tänzerin die einige Jahre lang mit einer Beinprothese erfolgreich aufgetreten hat.

Bei höheren Amputationen und Beckenkorbprothesen kann der Bauchtanz grundsätzlich ausgeführt werden, aber viele Hüftbewegungen und zum Teil Rumpfbewegungen müssen weggelassen werden. Hier würde man den gleichen Ansatz wie beim Sitztanz verwenden (Verwendung von "Props" und größere Bewegungsamplitude mit den Armen und Oberkörper, um den Tanz dynamischer zu gestalten). Außerdem kann man einzelne Schritte oder Drehungen in den Tanz mit einbauen. 

Ohne Prothese

Dieser Art vom Tanz erfordert sehr gutes Gleichgewicht und ist nur für sehr fitter Tänzer zu empfehlen. Man kompensiert dabei die Bewegungen auf dem fehlendem Bein durch das Verschieben von Hüften oder das Strecken und Beugen vom Knie auf der gesunden Seite. Ebenso lassen sich kleine Drehungen und "Schritte" durch das Gleiten über dem Boden durchführen. Die Oberkörper- und Armbewegungen spielen hier natürlich eine größere Rolle als beim Tanzen ohne Behinderung.

Obwohl ich einige Jahre lang primär ohne Prothese (im Stehen) getanzt habe, merke ich, dass es für die Gelenke doch eine ziemliche Belastung ist. Trotzdem lässt es sich gut machen, indem man das Tanzen im Stehen mit Sitztanz kombiniert oder Floorwork (Tanzen im Liegen oder im Sitzen auf dem Boden) mit einbaut. Außerdem kann man sich mit einer oder beiden Händen im Tanz auf etwas abstützen, z.B. auf einen stabilen Saidi-Stock (aus dem Saidi-Tanz).

Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Beinamputation kein Grund ist, den Bauchtanz nicht auszuprobieren. Zumal dieser Art vom Tanz nicht nur ein sehr gutes Körpertraining darstellt aber auch für die seelische Gesundheit viele Vorteile bietet.


fächertanz
Orientalischer Fächertanz mit Beinprothese (bei Lebenshilfe Bonn)



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